BDSM Benefits

BDSM Sessions können dir zeigen, was dich in der Tiefe ausmacht, jenseits des alltäglich Sichtbaren. Du kannst dich zumuten, auch mit dem Dunklen in dir. Das Glück erfahren, die Freude und den Spaß daran, zu dominieren oder dominiert zu werden, genießen, dich immer wieder aufs Neue zu entwerfen, wie eine Skizze, die als Vorlage dient für ein opulentes Gemälde namens Leben.

Bei strengen Aktionen oder Szenarien, die von der Unterwerfung oder Hingabe geprägt sind, hemmungslos fabulieren, wer du noch alles sein möchtest, um dann hocherfreut festzustellen, wie das reale Leben in diese Entwürfe selbst hineinschlüpft, wie in einen bequemen Schuh. Aber auch die Fülle gelebter und immer wieder neu kreierter Liebe kann beim Ausleben von BDSM sichtbar werden und das Feuer einer Partnerschaft erneut entfachen.

Geschichten aus vergangener Zeit

Nachdem ich 2004 für Felix Ruckert, einen Berliner Choreografen, einen 5-tägigen Workshop für seine Tanz-Compagnie gab, lud er mich ein, bei seinem nächsten Event kleine Workshops zu halten.

2005 kreierte Felix in Zusammenarbeit mit Caprice und Delta eine XPLORE Veranstaltung, die für viele Menschen die Möglichkeit bot BDSM zu erkunden und damit zu experimentieren. Die XPLORE findet alljährlich in verschiedenen Ländern statt.

XPLORE Berlin

Die allererste XPLORE wurde in den Räumen des „Dock 11“ im Prenzlauer Berg in der Berliner Kastanienallee veranstaltet.

Das Motto war BDSM und Tantra. Auf drei Etagen gab es an drei Tagen jeweils 90-minütige Workshops mit unterschiedlichen Lehrern. Als Teilnehmende hatte man die Möglichkeit, in jede Veranstaltung hineinzuspringen und sich aus den vielfältigen Angeboten das ansprechendste herauszusuchen, möglichst ohne das Gefühl, etwas zu verpassen.

Als Dozentin war ich für zwei Tantra-Workshops eingetragen: „Kathartische Massage“ und „Bogen mit Feuersäule“. Meine Workshops bestanden vor allem aus recht anstrengenden schweißtreibenden Körperübungen, die einen als Teilnehmer:in sehr an die Grenze bringen können. Felixs Kommentar nach meinem Seminar war, dass das eigentlich das wahre S/M sei! Ich war sprachlos und in mir wuchsen die Fragezeichen.

In der Zeit zwischen meinen Workshops war viel Zeit und Muße, um Unbekanntes zu erforschen.

Ich war sehr fasziniert und verstand zu der Zeit vieles nicht wirklich. Diese Arena der Lust war mir neu.

Ich stand erstaunt vor Personen, die an Seilen aufgehängt waren, beobachtete mit Gänsehaut das Rollenspiel des strengen Lehrers in der Schulklasse und war fasziniert von Peitschenkunde bis zur Fußwaschung.

Bis dahin hatte ich gedacht. BDSM ist etwas für schräge Persönlichkeiten mit gewissen Kindheitstraumen. Wahrscheinlich hat das Gegenüber der BDSM-Fraktion ähnliches über die Tantriker gedacht.

Einfach fesselnd

Auf der XPLORE wanderten alle Neugierigen, „alte“ Tantriker und kundige BDSMler durch die Etagen. Es gab Workshops mit sexuellen Rollenspielen, „Sex und Hypnose“, Exhibitionismus für Schüchterne neben tantrischer Selbstliebe. Und es gab Aktzeichnen mit Shibari (erotische Fesselkunst aus Japan). Das muss man sich ungefähr so vorstellen:

Mit einem Glas Rotwein und großem Zeichenblock bewaffnet, saßen ca. 40 Menschen im Kreis rund um eine sehr attraktive halbnackte, gefesselte Japanerin, die in der Mitte des Raumes an einem riesigen Bambusstamm hing. Ein älterer, knochiger Herr im weißen Hemd verknotete Brüste und Extremitäten mit beeindruckender Präzision und Geschwindigkeit. Die Japanerin hing kunstvoll in verschiedenen Positionen oder baumelte kopfüber am dicken Stamm. Zum Abschluss garnierte der Herr das zusammengeschnürte Paket mit Schleifen zu gebundenen farbigen Stricken.

Bauklötze staunend saßen einige Beobachter mit dem Block in der Hand im Kreis und vergaßen dabei zu zeichnen. Andere hielten sich am Glas Rotwein fest. Die Profis zeichneten stumm, mit leiser Achtung und zärtlichen Respekt das Geschehen.

Shibari ist ein äußerst künstlerischer Akt und braucht einige Jahre Übung, um Perfektion zu erreichen.

Wer als Kind das lustvolle Spiel von Cowboy und Indianer gespielt hat, mit dem unschuldigen „Ich nehme dich jetzt gefangen“ oder „ich fessle dich“, dem ist der Funke des Eros bekannt, der hier im Erwachsenen angesprochen wird. Das Fesseln vereint verschiedene Aspekte von gehalten werden und gleichzeitig ausgeliefert sein. Es kann ein sinnlich erotisches Unterfangen sein, indem sanfte Berührungen sich abwechseln mit dem rauen Material der Seile. Die dem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Abhängigkeit, Bindung, dem Wunsch nach Gebunden- wie auch Verbundenheit wird an der Stelle wortwörtlich zu einem Ganzen vereint.

Auch kann sich jemand, der im normalen Leben viel Verantwortung trägt und unter Spannung steht, sich in der Rolle des Gefesselten vertrauensvoll und genießerisch hingeben und in einen meditativen Zustand gelangen. Fesselnd wurde das Aktzeichnen auch für den Betrachter.

Amüsiert stellte ich fest, dass sich ähnlich wie im tantrischen Ritual betörender Räucherstäbchenduft im Raum verteilte.

Das allen Ritualen innewohnende sakrale Flair, war aber nicht durch die in der Luft hängenden Rauchschaden begründet, sondern durch die konzentrierte Präsenz aller Beteiligten.

Rollenspiele

In einem Workshop ging es darum, durch eine Fantasiereise eine Figur zu finden und zu verkörpern. Diese sollte mit einem passenden Partner in einer kleinen Geschichte sexualisiert werden. So gab es Vampire, die sich mit Figuren von Star Trek zusammenfanden. Rumpelstilzchen und die Eiskönigin oder auch Jungfrauen mit Monstern. Es entstand ein künstlerisches, erotisches Happening, welches als Zuschauer oder Protagonist zu betreten war. Ich habe selten so viel gelacht bei Sessions, die sich mit sexuell-erotischen Themen beschäftigten.

Nachts kreisten meine Gedanken um die Ereignisse und Rollen in den Workshops, sodass ich kaum schlafen konnte. Mir wurde plötzlich deutlich, inwiefern bestimmte Rollen mein persönliches Leben wie hinterrücks bestimmten. Es war eine Erleichterung, diese Figur aus dem Nebel zu holen und sie bewusst spielerisch einzusetzen, ohne sich damit komplett zu identifizieren.

Sie zu sexualisieren war der eigentliche Dreh, denn dies war der Leim, auf dem ich im realen Leben wie gefangen war.

Mein Beziehungsleben war bis dahin geprägt von einer unterschwelligen Unterwerfung. Ich nenne es den „Weiblichen Hühnermodus“. Dieser Modus war ausgerichtet auf die Erfüllung der Wünsche des Mannes – oder dem ,was ich dachte, was seine Wünsche wären – und klebte zusammen mit einer panischen Verlustangst. Im Alltag verlor ich mich selbst, ohne es zu bemerken.

Genau diese Rolle setzte ich im Spiel ein.

Das Rollenspiel half durch das erotisch-sinnliche Element Erkenntnisse über Aspekte meiner Persönlichkeit ans Licht zu bringen, die mich in dieser Nacht lange nicht einschlafen ließen. Mit Betroffenheit, aber auch mit Humor konnte ich sehen, wie ein femininer Anteil meines Selbst, es liebte, in Demütigung und Sehnsucht in einer selbstgewählten Märchenwelt zu verharren.

Das Aufdecken von Masken und die gleichzeitige Nicht-Identifizierung über das Spiel ermöglicht Einblicke in eine Innenwelt, die Heiterkeit mit Erkenntnis verbindet. In dem Fall half es mir, herauszutreten aus dem unbewussten getrieben sein und selbst zu entscheiden, wann und mit wem dieser Aspekt in Hingabe in Aktion tritt.

Tantra Benefits

Das Tantra fordert immer wieder dazu auf, die Illusionen und die Masken des Egos zu durchschauen. Leichter gesagt als getan. Und es hat gar kein Ende.

Das Tantra appelliert daran, zu erkennen, dass Liebe nicht lokalisiert ist, sondern ein Zustand, ein kontinuierliches Fließen, welches wahrgenommen werden möchte. Vertrauen bedeutet, dieser Kraft zu vertrauen, die das Lebendige anschiebt und durchdringt.

Der sexuelle Akt kann ein Teil davon sein, und es ist großartig, die Verschmelzung und Hingabe erfüllt zu erfahren.

Es erlaubt, das Leben in seiner Fülle und Vielfalt am eigenen Leib zu spüren. Es schließt nichts aus. Es umarmt alles, um sich selbst zu erkennen und am Ende wieder loszulassen.

Das lässt sich in einer Mini-Übung folgendermaßen verdeutlichen:

Du stellst dir vor, beim Einatmen alle Meinungen zu einem Thema hineinzunehmen und beim Ausatmen atmest du alles wieder aus. Selbst deine eigene Meinung.

Das Bild aus der Beitragsvorschau stammt von Künstlerin Eva Baumert.

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