Wieso schreibt oder antwortet er/sie denn nicht? Wie kannst du nur so blöd sein und auf so jemanden reinfallen? Du hältst dich für so schlau, und dabei rennst du ihm/ihr hinterher wie ein Teenie! Du bist so peinlich, wie du hundertmal am Tag auf das Handy schaust und tatsächlich glaubst, dass er/sie dir jederzeit antworten würde. Kein Mensch würde sich so dermaßen erniedrigen wie du.

Solche oder ähnliche innere Beschimpfungen tauchen auf, wenn die Kommunikation schiefläuft und eine Flaute (in der Liebe) mit dem oder der Angehimmelten am Start ist. Der/die andere benimmt sich nicht wie erwartet und enttäuscht das entgegengebrachte Engagement und das Angebot an Liebe. Was nun? Das Verhalten des anderen Menschen wirkt unverständlich, und die Kommunikation über soziale Medien macht es nur noch schlimmer. Nach der Enttäuschung entsteht schnell ein heller Zorn, der am liebsten das Kind samt Bad ausschütten würde oder zumindest via Racheaktion dem/der anderen eine entsprechend schlimme Verletzung zufügen möchte, damit er/sie sieht und fühlt, was es für einen selbst bedeutet.

Wohin also mit der Wut?

Auf zum Boxtraining? Dynamische Meditation? Joggen bis zum Umfallen? Emotionen in Bewegung umzusetzen, ist äußerst hilfreich, löst aber leider nicht ganz das Thema. Wenn ein Gefühl länger andauert und nicht „abregnen“ kann, dann ist dies meist ein Zeichen, dass ein viel kleinerer, jüngerer Anteil in uns selbst angesprochen ist und sich an seine frühe Verletzung erinnert. Der Erwachsenenanteil übernimmt dann den Part der Selbstverurteilung für den eigenen Zustand, zermürbt sich und wirft im Gegenzug mit gedanklichen Bomben um sich. So vermischt sich die eigene, innere Selbstablehnung mit dem Zorn auf das Gegenüber, und es wird vor allem scharf nach außen geschossen, z. B. in Form von Vorwürfen.

Es ist äußerst schwer, ohne professionellen Support an die Ursprungssituation heranzukommen und diese aufzudecken, um inneren Frieden zu erzeugen. Zeit und Ruhe, um in sich hineinzuspüren, sind hier hilfreich.

Die Karotte

Oft läuft man einer Karotte hinterher – einem Außen, das stellvertretend für eine erlebte Situation steht, die in der Vergangenheit komplett überfordernd war. Beispielsweise wollte das Kind seine Liebe an einen Elternteil oder eine nahe Bezugsperson einfach verschenken und erfuhr als Reaktion Demütigung, Ignoranz oder ein Lächerlichmachen der eigenen Gefühle – oder noch eine andere Art der Grenzüberschreitung.

Die auftauchenden, manchmal kaum zu bändigenden Gefühle im Jetzt gehören im Grunde dorthin und sollten der Figur aus der Vergangenheit entgegengebracht werden. Wenn es möglich ist, die Ursprungssituation zu lösen, dann sortiert sich das aktuelle äußere Geschehen sehr schnell. Es ist, als wäre man plötzlich in einer anderen Realität zu Hause.

Tantra

Die Göttin Kali trägt eine Halskette mit lauter abgeschlagenen Köpfen. Die Darstellung beschreibt ihren Kampf gegen die Stimmen des Egos. Dies bezeichnet vor allem Anteile der Selbstablehnung und der Selbstsabotage. Sie ist eine wilde und zornige Gottheit mit einem Schwert in der Hand. Diese Kraft braucht es, um den Dschungel des Unterbewusstseins zu durchdringen. Nicht umsonst ist die Ursprungssituation so weit weggesteckt, denn sie war schlimm. Den Zorn und die Traurigkeit zuzulassen, braucht einen geschützten, sicheren Rahmen, bis man gelernt hat, in sich selbst solche liebevollen Räume zu entwickeln.

Abgrenzung und Selbstfürsorge

Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein bedeuten, mehr und mehr gewahr zu werden, was tatsächlich Realität ist und was „alter Kaffee“ ist, der durch die aktuelle Situation getriggert wird.

Die Liebe – insbesondere für sich selbst und dann für andere – wird freier, je mehr ich innerlich differenzieren kann. So fällt es an manchen Tagen zwar immer noch schwer, Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind, aber ich muss nicht gegen andere „schießen“ oder Vorwürfe machen, sondern kann z. B. Fragen stellen und mich entspannt abgrenzen. Die Möglichkeit der Abgrenzung und liebevollen Selbstfürsorge ist ein kostbares Geschenk in unserem Leben, das Unvorhergesehenes und allerlei Achterbahnen bereithält.

Meine Seminare bieten zudem eine Möglichkeit zum Üben, zur „Nachreifung“ und zur Integration verletzter Anteile. Insbesondere das Jahrestraining mit Teil 1 und 2 an Ostern und Pfingsten ist dafür besonders geeignet.

https://www.ilka-stoedtner.de/tantra-seminare/tantra-jahrestraining/

In der Liebe gibt es viele Stolpersteine – vor allem in der Liebe gegenüber sich selbst: Take care!