„Der Schrank“ / Lissabon, Februar 2025
Der Schrank steht schon seit Ewigkeiten in der neuen, frisch tapezierten Wohnung und muss unbedingt noch raus. Zu viel Vergangenheit im Andenken ist nicht förderlich, sinniert er und betastet zart das dunkle Holz.
Eine meisterhafte Handwerksarbeit mit nicht mehr so ganz zeitgemäßen Schnitzereien. Soll er ihn doch behalten? Besser nicht. Jede Trennung schafft Platz für Neues – und auf keinen Fall Ikea –, aber was sonst? Er grübelt vor sich hin, während sich die Schubladen leicht wie von selbst öffnen lassen.
Hatte er nicht alles ausgeräumt? Hier liegt ein silbernes Päckchen. Wo kommt das denn her? Vielleicht eine Überraschung? Aber von wem? Es sieht tatsächlich aus wie ein Geschenk mit den bunten Bändern drum herum. Hatte er etwa gerade Geburtstag? Es fühlt sich leicht an, mit Sicherheit kein Buch, und etwas bewegt sich im Inneren.
Inmitten des kahlen Raums hält er den rechteckigen Karton hoch und betrachtet ihn von allen Seiten. Kein Name, kein Hinweis darauf. Also wohl für mich, beschließt er. Neugierig fädelt er die Bänder fingerfertig auf und öffnet vorsichtig die Verpackung.
Mit Entzücken entdeckt er ein sorgfältig gefaltetes, schwarzes, neues Hemd. Zwischen den Falten steckt eine Lage Seidenpapier, das bei der kleinsten Bewegung ein leises Knistern von sich gibt. Alles wirkt unberührt und perfekt arrangiert.
Er schüttelt das Hemd leicht aus, sodass es sich in seine volle Form entfaltet, hält es hoch und staunt über den weichen Stoff.
Auf der Rückseite breiten sich zwei kunstvoll gestickte goldene Flügel aus. Wohin soll er denn damit fliegen?
Es sieht ganz so aus, als könnte es passen! Neugierig zieht er seinen Pullover über den Kopf und erschrickt etwas über die nun gefühlte Kälte im Raum.
Dann schlüpft er, erst mit dem einen, dann mit dem anderen Arm, in den Ärmel. Der Stoff ist unfassbar angenehm, kein Plastik oder Satin, aber was fühlt sich denn so zart an, dass er schon erregt wird, als der Stoff über seine Brustwarzen streift und ihn ganz bedeckt? Vorsichtig, als wolle er erst mal testen, ob es auch wirklich passt, knöpft er langsam die schimmernde schwarze Knopfleiste von unten nach oben zu.
Er entscheidet sich, das Hemd etwas offen stehen zu lassen. Das ist auch unbedingt nötig, denn sofort wird ihm schier unglaublich warm. Ist das ein Thermohemd? Es passt ihm wie angegossen – nur schade, dass er noch gar keinen Spiegel in der Wohnung hat!
Es kommt ihm vor, als hätten seine Hände plötzlich Lust daran, den Stoff zu berühren und darunter seinen Körper zu spüren. Die Rippenbögen zu ertasten, und er lässt die Hände aufwärts über die Brust bis zum Kragen fahren.
Jede Bewegung umschmeichelt seine Gestalt, und er fühlt, wie der Stoff sich seltsamerweise wie eine Person an ihn anzuschmiegen scheint. Es ist nicht nur ein Kleidungsstück, es fühlt sich an wie eine fremde Berührung, die auf der Haut bleibt.
Ein Kribbeln beginnt sich durch seinen Körper wie eine Welle auszubreiten, warm und fordernd. Eigentlich würde er gern tanzen – tanzen vor Freude, so einen Fund gemacht zu haben –, von wem auch immer dies hier gelandet ist. Seine Hüften bewegen sich wie von selbst, und jeder Atemzug wird intensiver.
Ihm ist, als würde sich sein Puls beschleunigen, als würde sein Körper gern mehr von diesem Moment aufnehmen wollen.
Er bemerkt, wie seine Lust zunimmt und seine Hände nicht nur über das Hemd fahren wollen, sondern auch weiter zu seinem Geschlecht wandern. Die Hose stört nur. Mit Leichtigkeit und zwei Griffen löst er den Gürtel und lässt alles abfallen, was ihn hindert, sich selbst zu vergnügen. Gut, dass er endlich die eigene Wohnung ganz in Besitz nehmen kann! Und es ist sogar noch besser und schöner, sich selbst als Mann ganz in Besitz zu nehmen und mit enormer Freude die eigene, immer größer werdende Lust zu betrachten. Es wird wirklich Zeit für einen Spiegel, denkt er und juchzt innerlich bei dem Gedanken, sich in alle Richtungen zu verströmen.
Selten hatte er so einen Spaß mit sich selbst, fühlte sich so beflügelt – mit jeder Bewegung seines Unterkörpers, mit jedem tiefen Atemzug spürt er die Weichheit und das seltsam Erregende des Hemdes auf seiner Haut.
Jede Berührung wird zu einer außergewöhnlichen taktilen Befriedigung und hinterlässt eine Spur von Hitze, die durch seinen ganzen Leib zu fließen scheint. Beschwingt fühlt er seine eigene Schönheit und ist sich seiner Stärke glücklich bewusst. Wie fantastisch es doch ist, ein Mann zu sein! Er schaut auf sich selbst hinab und hält stolz die einzigartige Pracht in beiden Händen.
Nein, er kann nicht anders, und seine andere Hand streichelt über das neue, seltsam anmutende Hemd, als würde er eine fremde Person berühren. Diese Hand erahnt den zauberhaften Körper unter dem Stoff und erforscht zart jeden Winkel, während seine Atmung und die andere Hand rascher werden.
Sein Verlangen übernimmt die Zügel. Mit letztem Druck erfährt er ausgelassen seine Form, sein Fleisch, als wäre es nicht sein eigenes. Mit diesem Gedanken verströmt er den heißen Saft und blickt den Tropfen auf den gerade abgezogenen neuen Holzdielen hinterher.
Er nimmt selbst einen feuchten Tropfen auf die Zungenspitze und stellt dabei fest, dass heute ein salziger Tag ist. Fast wie am Meer. Eben am Atlantik.