Am 8. Oktober 2020 ist David Schnarch, einer der bekanntesten amerikanischen Paartherapeuten an einem Herzinfarkt verstorben. David Schnarch, der bahnbrechende Pionierarbeit in der Behandlung von Problemen der menschlichen Sexualität geleistet hat, hat vielen Paaren zu neuer körperlicher und seelischer Intimität verholfen und sie zu erotischem Wachstum inspiriert. Dabei ging es ihm weit weniger um sexuelle Dysfunktionen als vielmehr um die emotionale Erfüllung in einer Partnerschaft. Jede Form des sexuellen Austausches – vom Kuss bis zu gewagten sexuellen Stellungen – spiegelte für ihn letztlich wider, wie wir uns und unseren Partner wahrnehmen, wie wir unsere Beziehung empfinden.

2007 war David Schnarch Redner und Workshopleiter auf einer Veranstaltung des Berliner Wilhelm Reich Kongresses. Sein Buch las ich damals aufmerksam und akribisch mit allerlei Merkzetteln und Unterstreichungen. Ich erinnere mich noch deutlich an eine Szene, in der mein damaliger Freund nach dem Sex erstaunt fragte, was ich denn gemacht hätte? “Ich wäre ja plötzlich “so offen”!” Ich antwortete, ich hätte ein Buch gelesen. Er war fassungslos: „Waaas, – ein Buch? Das Buch hieß „Die Psychologie der sexuellen Leidenschaft“ und ist 2006 in Deutsch erschienen.

In einer späteren Berliner Veranstaltung mit David Schnarch ging ich in der Pause auf ihn zu. Es war eine seiner besonderen Eigenschaften, dass man ihn so gut wie immer ansprechen konnte und er offen für Fragen war. Eine Frage, die meine eigene Beziehung betraf, verkleidete ich damals noch etwas verschämt als Klientengeschichte. Später klärte ich ihn darüber auf, wir lachten und er sagte: „I will keep it in mind when people ask me questions in the break!“

Immer war es eine Freude und äußerst inspirierend, mit David Schnarch persönlich zu sprechen und tiefer in die Welt des Sexes und der Beziehung einzutauchen. Nach den ersten Begegnungen folgten intensive Seminare in Helmstedt und auf dem Gut Helmeringen.

Besonders in Erinnerung geblieben sind mir vor allem die sehr persönlichen Fortbildungsseminare mit einer Handvoll Therapeuten in Christoph Schuberts Wohnzimmer in Ulm, einschließlich der Restaurantbesuche in den Seminarpausen. Beim Italiener zückte David beispielsweise verschiedene Travel-Pussies aus dem Koffer und verteilte sie am Tisch. Der Belegschaft ist er bis heute als „der ältere Herr mit den vielen Sex-Toys“ in Erinnerung geblieben.

David Schnarch war in seiner Intensität und Eindrücklichkeit – was keineswegs immer auf positive Resonanz stieß – außergewöhnlich. Er war ein Energiebündel der besonderen Art, das sich mit Leib und Seele für das Glück jedes Paares einsetzte.

Die „Umarmung bis zur Entspannung“ ist eines seiner Erbstücke. Und jeder, der ihn je umarmt hat, konnte spüren, dass er ein Mann mit großem Herzen war. Nicht nur, weil er in der Therapie das Beste aus den Menschen herausholen wollte, sondern weil er selbst sein Bestes gegeben hat, um die Welt zu bereichern.

David Schnarch 2015 in der Urania, mit Ilka und Tara (Übersetzerin)