Wenn man im Bekanntenkreis erzählt, dass man ein Tantra-Jahrestraining gebucht hat, häufen sich oft zwischen Neugier und betretendem Schweigen die Fragezeichen in den Gesichtern: Hast du das denn nötig? Und manch ein Gegenüber nimmt an, man hätte ein Jahr Orgie gebucht.

Aber was passiert in dem Jahrestraining eigentlich?

Mein Jahrestraining hat den Titel „Tantric Matrix“ – angelehnt an den Science-Fiction-Film der Wachowski Brüder mit Keanou Reeves in der Hauptrolle von 1999. In diesem geht es darum, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, anstatt in einer Scheinwelt zu leben. Der Film beschreibt actionreich das Ringen um Freiheit und dem Ausstieg aus Programmen, die man nicht selbst gewählt hat. Die gezeigte Symbolik passt hervorragend zum Tantra.

Muss ich denn da nackt sein?

Anrufer fragen mich regelmäßig, ob man in den Seminaren nackt sein muss. Am liebsten würde ich hier lachend antworten: „Nein, noch viel schlimmer, es geht um Intimität mit dir selbst!“ Aber das ist Zukunftsmelodie. So bleibe ich an dieser Stelle pragmatisch und sage, dass man sich erst auszieht, wenn überhaupt niemanden mehr in der Gruppe auffällt, dass man nun nackt ist. Einfach deshalb, weil zuvor schon so viele unsichtbare Hemden und Höschen gefallen sind, so dass die rein körperliche Nacktheit wirklich kein Thema mehr ist.

Seelische Nacktheit ist für die meisten Menschen ein weitaus höheres Risiko, als sich mit seinem Körper ohne Kleidung zu zeigen.

Damit ist der Unterschied zum Nacktbadestrand auch klar.

In den ersten zwei Abschnitten des Jahrestrainings dreht es sich sowieso ausschließlich beim abschließenden Ritual um körperliche Nacktheit.

Der Maßstab bleibt beim Individuum. Solang es für dich in Ordnung ist, lässt du den Lunghi fallen und wenn du dich sicherer oder wohler fühlst mit Tuch, dann lässt du es an. Ganz einfach. Gruppendruck zählt nicht, da das individuelle Empfinden an erster Stelle steht.

Hoffnungen, Wünsche, allerlei Ängste und Sehnsüchte drehen sich um das Thema Sexualität und umkreisen das Tantra wie die Geier das erlegte Wild.

Zurück zum Thema Orgie: Höchst selten habe ich erlebt, dass sich nach Orgien, Gruppensex oder sonstigen sexuellen Aktivitäten eine persönliche Reife herauskristallisiert hat. Ein Erwachsen Sein, welches in sich ruht, in Vertrauen und Akzeptanz zu Hause ist und einem Raum von Liebe in sich trägt, der spürbar ist für das Gegenüber sowie für alle Beteiligten.

Nichts destotrotz können sexuelle Erlebnisse berauschend im wortwörtlichen Sinne sein und spirituelle Erlebnisse begünstigen. Insbesondere das Erleben von höchster Verschmelzung und der kompletten Hingabe. Meist leider nicht allzu nachhaltig. Stattdessen nährt sich genau von diesem Erleben der innere Narzissmus. Oder es erwacht der Dämon der Gier, des Haben Wollens und der Abhängigkeit. Die Schlange der neurotischen Verwicklung und instinkthaften Ängste des Nervensystems übernehmen das eben noch in Lust gebadete kleine ICH, welches stolz die erste Hürde der Scham genommen hat. Hoch hinaus und tief gefallen ist oft das Ende vom Lied.

„Das Tantra ist halt nichts für mich“ heißt es dann. Schade um den Mut. Nur einigen gelingt es auch mit den Abstürzen einen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen.

Aufgrund meiner eigenen vielfältigen Gruppen- und Therapie-Erfahrungen zäume ich das Pferd sozusagen langsam, aber sicher „von hinten“ auf. Das bedeutet, das sexuelle Thema durchzieht jedes Seminar ohne die gewohnten direkt sexuellen Handlungen und ist dabei dennoch Thema.

Die Kunst liegt hierbei darin, Räume zu kreieren, in denen der Eros lernt die Flügel selbstbewusst und in Eigenverantwortung auf kraftvolle und sanfte Weise auszubreiten.

Individuelles Training

Mein Jahrestraining beschäftigt sich sehr praktisch mit dem Körper und seinen Empfindungen. Vergleichbar mit einem Baum, der einen stabilen Stamm und Erdung braucht, damit er nach oben wachsen und seine große Krone ausbreiten kann. Steht dieser sicher und stabil, so kann er seine ureigene Blüte entfalten und der Apfel der Lust fällt wie von selbst hinunter.

Gemeinsam im Boot

Interessenten am Jahrestraining lässt sich nur schwer vermitteln wie dieser spannende Prozess im gemeinsamen „tantrischen Boot“ von statten geht. Wie auch? Wie soll man jemanden, der noch nie ein Boot betreten hat, erklären, wie es ist auf hoher See zu sein? Wenn der Seegang schwindelerregend hoch wird und man sich gut festhalten muss, weil die Wellen einen durchrütteln. Wenn sich dann aber am Morgen im ersten Sonnenschein die Delphine ums Boot tummeln und die Augen immer größer werden beim Staunen über die Schönheit des Lebens.

Ein leichter Windhauch, der den Nacken berührt löst ein feines, wohliges Erschauern aus, welches sich in Glück und Dankbarkeit verdichtet. Freudig werden die Arme nach oben gestreckt wie zum Morgengruße und das Spüren der eigenen Kraft im Körper, im Becken und im Herzen lässt einen juchzend kopfüber ins warme Meer springen.

Die Welt und das Erleben haben kein Ende.

Transformation

Ein Jahrestraining kann innere Tore der Wahrnehmung öffnen, von denen man vorher gar nicht wusste, dass sie überhaupt existieren.

Man geht wissentlich durch das Feuer der Transformation und gebiert sich jeden Moment neu.

Was kommt dabei heraus?

Ein unvergleichliches Gefühl von Freude und Glück durch das Erleben von innerer Freiheit, welche ermöglicht seinen eigenen persönlichen Traum vom Leben von Moment zu Moment umzusetzen.

Der Sex wird besser – fast wie im Nebenbei. Man wird beweglicher, – und das nicht nur im Äußeren durch das in den Gruppen regelmäßig praktizierte Meridian-Yoga.

Es gilt: Altern tun wir alle von ganz allein! Innerliche Reifung geht damit nicht automatisch Hand in Hand.

Die Tantra-Jahresgruppe ist eine sehr abenteuerliche, körperliche und genussvolle Reise diesen Prozess der persönlichen Reife und die Hingabefähigkeit fördern.